Angriff auf Bosnien-Herzegowina

Um die Abspaltung Bosnien-Herzegowinas vom Rest Jugoslawiens zu verhindern, überfielen die Serben im April 1992 das Land. Der brutale Krieg forderte 200.000 Opfer, war zwar 1995 offiziell beendet, aber dieser Friede stand auf wackligen Beinen. Mit der Auflösung des "alten" Jugoslawiens ist der Bestand des Staates Bosnien-Herzegowina nun aber gesichert.

Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen Zusammenfassung - Quellen

Zeitraum:

1992 - 1995


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Ursachen:

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Jugoslawien unter Marschall Tito in eine sozialistische Bundesrepublik umgewandelt. Die sechs Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Makedonien führten ein starkes Eigenleben. Seit der Staatsgründung forderten die jeweiligen Länder mehr Mitspracherechte für sich.

Da die einzelnen Länder aufgrund unterschiedlicher historischer und nationaler Identität (teilweise) entgegengesetzte Ziele und Vorstellungen bezüglich des Politik- und Wirtschaftswesens besaßen, kam es oft zu Streitigkeiten. Gelegentlich sprach man auch von einer Überföderalisierung, da es den einzelnen Republiken ermöglicht wurde, durch ihr Veto-Recht die Beschlüsse der Bundesregierung zu blockieren.

Dies gab den nationalistischen Bewegungen neuen Auftrieb.

Die extremen nationalistischen Führer der bosnischen Serben und auch der bosnischen Kroaten benutzten den schon immer vorhandenen Nationalismus als Argument für eine unbedingte Trennung nach Nationalität der in Bosnien-Herzegowina lebenden Bevölkerung. Die Abspaltung der Menschen in die drei großen Gruppen, den Serben, Kroaten und Moslems, in Bosnien wurde stark vorangetrieben. Wechselseitiges Misstrauen und latenter Nationalismus gehörten zum jugoslawischen Alltag.

Hinzu kamen noch die starken regionalen Entwicklungsunterschiede. Die daraus entstandenen Verteilungskämpfe zwischen reicheren und ärmeren Republiken, trotz (vergeblicher) Versuche seitens der Regierung durch Entwicklungshilfe und Aufbaubudgets sorgten für zusätzliche Spannungen.

Wachsende ökonomische Probleme durch Misswirtschaft und Überbürokratisierung führten Jugoslawien in den achtziger Jahren in eine Wirtschaftskrise, die eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Die wachsenden sozialen Ängste machten die Bevölkerung anfällig für nationalistische Parolen.

Durch den Zusammenbruch der Wirtschaft und die steigende Inflation wurde eine Reform des Systems unbedingt notwendig.

Die slowenischen Kommunisten hatten monatelang auf die Einführung einer parlamentarischen Demokratie gedrängt, während die serbische Parteiführung am Einparteiensystem festhalten wollte.

Die einzelnen Republiken arbeiten gezielt auf die Unabhängigkeit hin. Slowenien und Kroatien erklären sich am 25. Juni 1991 für unabhängig. Bosnien-Herzegowina und Makedonien folgten wenige Monate später, Serbien und Montenegro gründeten eine neue jugoslawische Föderation, die Bundesrepublik Jugoslawien.


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Konfliktparteien und ihre Ziele:

Die nationalistischen Führer:

Die Ziele:


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Verlauf:

Die bosnischen Serben eroberten in einer Art Blitzkrieg zwischen April bis September 1992 fast 70% des bosnischen Staatsgebietes und riefen dann die "Serbische Republik" aus.

Eine Militärallianz zwischen Kroaten und Muslimen gegen die Serben wurde gebildet.

Anfang 1993 zerbrach die Allianz aufgrund der Ausrufung der Republik "Herzeg-Bosna" durch die herzegowinischen Kroaten. Die Moslems hielten als einzige an einem zentralregierten, multiethnischen Bosnien fest.

Der "Zweite Krieg" begann: eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Kroaten und Muslimen.

Anfang 1994 gelang es den internationalen Vermittlern, die Vertreter der bosnischen Kroaten und Muslimen auf die Gründung einer gemeinsamen Föderation zu verpflichten.

Im März 1994 kämpften die beiden Militärs wieder miteinander gegen die Serben.

Dadurch gerieten die Serben zunehmend in Bedrängnis. Dies führte zu einer Pattsituation, die Voraussetzung für den Friedensvertragsabschluß von Dayton.

Seit Ende November 1995, das Jahr des offiziellen Kriegsende, sind rund 500.000 bosnische Flüchtlinge aus Deutschland freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt.

In Bosnien erleidet der Friedensprozess einen schweren Rückschlag. Am 4. August 1997 vertreiben Kroatische Nationalisten in der Stadt Jajce muslimische Flüchtlinge, die in ihre Häuser zurückkehren wollen. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen kommt ein Muslime ums Leben.

Ein entscheidender Schritt in Richtung Demokratisierung wurde am 14. September 1998 in Form einer gewaltlosen Wahl begangen. Die OSZE rechnet mit einer Wahlbeteiligung von 70 bis 80 % .


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Schritte zum Friedensvertrag:

1995-09-08 Genf: Die Außenminister Kroatiens, Bosnien - Herzegowinas und der Bundesrepublik Jugoslawiens verständigen sich auf einen von der internationalen Kontaktgruppe (Rußland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien unter der Leitung der USA) ausgearbeiteten Friedensplan. Der Plan sieht eine Trennung Bosnien - Herzegowinas in zwei Gebietseinheiten mit der bosnisch-kroatischen Föderation Bosnien-Herzegowina (51%) und der Serbischen Republik in Bosnien (49%) vor.
1995-09-26 New York: Ein Einverständnis über die zukünftige politische Struktur Bosnien- Herzegowinas wird erzielt. Eine internationale Friedenstruppe, die Stabilisation Force (Sfor), soll die Einhaltungen der Bestimmungen überwachen. Ein Jahr später erlaubte der UN-Sicherheitsrat die Bildung der Sfor und so ist diese Friedenstruppe in Bosnien-Herzegowina seit 1996 mit etwa 16 000 Soldaten aktiv. Die Soldaten halten im Konfliktfall verfeindete Volksgruppen auseinander und gewährleisteten so Frieden und Sicherheit.
1995-05-10 Die NATO stellt ihren Plan vor, im Auftrag der UNO nach Abschluss eines Friedensabkommen im Rahmen der IFOR bis zu 70.000 Soldaten bereitzustellen.
1995-10-12 Waffenstillstandsbeschluss tritt in Kraft, ab 1995-10-20 wird er an allen Fronten eingehalten. Der Waffenstillstandsbeschluss ist auf zwei Monate befristet
1995-01-11 Beginn der Verhandlungen über ein Friedensabkommen auf der US-Luftwaffenbasis Wright-Patterson in Dayton Ohio. Die Präsidenten Bosnien-Herzegowinas (Alija Izetbegovic), Kroatiens (Franjo Tudjman), und Serbiens (Slobodan Milosevic) sind vertreten.
1995-12-14 Unterzeichnung des Friedensvertrags durch die Präsidenten der drei beteiligten Länder. Eingeschlossen ist darin die gegenseitige Anerkennung zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und Bosnien-Herzegowina.
1996 Ausweitung auf den Einsatz er Stabilisierungstruppe Sfor, bei der aus Deutschland 3.00 Soldaten eingesetzt sind.
2004 Erstz der NATO-geführten Sfor durch die Eufor der EU (850 Mann stark).

 

Vertragsinhalt (zusammengefasst):

Umsetzung im militärischen Bereich größtenteils fristgemäß, im zivilen Bereich eher stockend. Dieser Friedensvertrag war Voraussetzung für die am 1996-09-14 stattgefundene demokratische Wahl zum Präsidenten.

Folgende Personen standen zur Wahl:

Mit knapper Mehrheit siegte Izetbegovic.


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen -Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Kriegsverbrechen:

Die Mittel zur ethnischen Säuberung standen im Zentrum der Kriegsverbrechen.

Alle möglichen Arten von Einschüchterung und Gewalt wurden eingesetzt, um Einwohner aus bestimmten Gebieten zur Flucht zu bewegen.

Durch Angriffe auf Hab und Gut, durch Deportationen, Internierungen, Vergewaltigungen, Folter, Verstümmelungen, Mord und andere Gewalttaten wurden ethnisch möglichst einheitliche Gebiete erzwungen.

Die brutale Umsetzung der nationalistischen Ideen band die Menschen stark an ihre jeweils eigene Nationalität. Entsprechend konnten sich nationale Parteien profilieren, deren Ziel die wirtschaftliche, kulturelle (sprachliche) und militärische Dominanz des vertretenen Volksstamms war.

Die brutale Verfolgung dieser Ziele führte zu kaum vorstellbaren Gräueltaten - hauptsächlich durch die Serben, aber auch durch die anderen Kriegsgegner.

Stellvertretend für dieses unendliche Leid sollen hier erwähnt sein:

Im März 1996 sind mehr als 190 Massengräber bekannt.

Am 1996-07-11 werden gegen Karadzic und Mladic internationale Haftbefehle erlassen; sie wurden im Jahr zuvor in Den Haag des Kriegsverbrechens angeklagt. Sie sind aber bis heute auf freiem Fuß!

97-07-11: Die internationalen Friedenstruppen sind erstmals gegen gesuchte Kriegsverbrecher vorgegangen: der Krankenhausdirektor der Serbenhochburg Prijedor, Milan Kovacevic, wurde ohne Zwischenfälle festgenommen.

98-04-24: Aufgebrachte Serben greifen den bosnischen Erzbischof Vinko Puljic und 200 Kroaten während eines Gottesdienstes in der Stadt Derventa an, die beinahe bei lebendigem Leibe verbrannt werden. Die örtliche Polizei kann die Menschenmenge aber von ihrem Vorhaben abbringen, die Kirche in Brand zu setzen.


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Folgen des Kriegs:

Exodus:

Aus Angst vor den ethnischen Säuberungen verließen schon im Juni 1992 1,4 Millionen Menschen ihre Heimat. Am Ende dieses Jahres waren es schon über zwei Millionen und im Sommer 1993 überschritten die Zahlen die Viermillionengrenze.

1995 fand ein weiterer großer "Exodus" statt. 170.000 Serben flohen aus der Krajina beim Angriff der kroatischen Armee. 40.000 Muslime flohen aus Srebrenica und Zepa vor den Serben und weitere 170.000 Serben verließen Westbosnien während der darauf folgenden kroatisch-muslimischen Offensive.

Seit 1995, dem offiziellen Kriegsende, ist Bosnien-Herzegowina in drei ethnisch weitgehend homogene Gebiete eingeteilt.

Schonende Rückführung der Flüchtlinge: Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens Ende November 1995 sind rund 60.000 bosnische Kriegsflüchtlinge aus Deutschland freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Dennoch gibt es Probleme bei der Integration von zurückkehrenden Flüchtlingen, deshalb bevorzugen auch viele Flüchtlinge in Dritte-Welt-Länder zu ziehen.

Tote und Vermisste:

Zwischen 1992 und 1995 gab es mindestens 200.000 Tote (80% Muslime) und noch mehr Verletzte, ein Großteil der arbeitsfähigen Bevölkerung wurde getötet.

Mehr als 12.000 Leichen sind seit Kriegsende aus 250 Massengräbern in Bosnien-Herzegowina exhumiert worden.

Familien wurden getrennt und können nicht mehr zusammengeführt werden.

Jahre später gelten immer noch mindestens 20.000 Menschen als vermisst.

Infrastruktur:

Über 50 % der Gebäude sind zerstört und weite Landstriche vermint.

Wirtschaftlicher Zusammenbruch - über 95 % der Produktion des Landes liegt brach. Aus diesem Grund massive wirtschaftliche Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten des Weltwirtschaftsgipfels.

Überfüllte Krankenhäuser mit mangelnder medizinischer Versorgung.

Fehlendes Kapital, fehlende Arbeitsplätze

Steigende Obdachlosenzahl

Infrastruktur zerstört (insbesondere Wasser-, Gas- und Stromversorgung)

Steigende Kriminalität

Externe Unterstützung:

Schutz der sehr jungen Demokratie durch IFOR-Truppen ("Implementation Force"). Das Mandat dieser Truppe dauerte bis Juni 1998, danach wurden die 36.000 Soldaten aus 32 Nationen wieder abgezogen. Seit 1996 ist nun die Sfor ("Stabilisation Force") mit 16.000 Soldaten aus 30 Nationen aktiv. Das Kontingent der USA umfasst 2500 Soldaten, Deutschland ist mit 1700 Soldaten beteiligt.


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Zusammenfassung:

Seit der Schlacht auf dem Amselfeld kam die Region nie wieder richtig zur Ruhe. Zwischenzeitlich scheint sich das historische Pulverfass Europas aber allmählich wieder zu beruhigen. Es ist aber ein sehr zaghafter Frieden. Ein erneuter Ausbruch ist nicht mit Sicherheit auszuschließen.

Bosnien ist zwar als Staat bestätigt und die einzelnen Parteien befriedet. Niemand darf sich aber in dieser Ruhe ganz sicher fühlen.

Europa und die anderen beteiligten Staaten müssen den Friedensprozess aktiv fördern und dieses Krisengebiet weiter im Bewusstsein halten. Trotz nicht beseitigter Spannungen wird die internationale Schutztruppe, die größtenteils aus deutschen und italienischen Soldaten besteht, weitgehend abgezogen. Im Jahr 2007 sollen 4000 der stationierten 6500 Soldaten nach Haus zurückkehren.


Zeitraum - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Schritte zum Friedensvertrag - Kriegsverbrechen - Folgen - Zusammenfassung - Quellen

Quellen:

Haller Tagblatt 1997-07-11, 2001-10-18, 2002-07-02, 2006-10-31, 2007-03-02
IAP 11/97

www.koeln-online.de/ai/berichte/eur63/ (Link ist nicht mehr verfügbar)

www.grothe.org/bosnien (Informationen über persönliche Schicksale der Opfer)

Literaturtipp: Hans Krech: Der Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina (1992-1997). Berlin: Köster 1997.



Home


Seitenanfang
Stand: 2008-06-01/19-06-16
Letzter Bearbeiter: Jürgen Gierich
Ursprungsautorin: Nina Schust (1996)
Frühere Bearbeiter: Constanze Zürn (02-07-16), Silke Schmidt, Carola Frey, Eva Frölich, Svenja Valeisa, Vesna Maglajlic, Lisa Kohlhammer, Florian Würth, Nina Grindler, Yvonne Rieger und Katrin Seubert (2005)
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt & Technik)
Datei: bosnien/bosnien.htm